Das kann uns Europäern in unserer Eurozone nicht passieren, dafür sorgt unsere Politik. Mai 2013
Wie Island dem Staatsbankrott entkam2008 stand Island vor der Staatspleite. Doch anders als in Krisenländern der Eurozone wurde gar nicht erst der Versuch unternommen, die kollabierenden Pleitebanken zu retten. Die Haftung des Staates für Kundeneinlagen ausländischer Sparer wies das bedrängte Inselvolk in eindrucksvollen Referenden zurück. In der Krise vertrauten die Isländer weniger den Beistandskrediten ihrer Nachbarn als vielmehr ureigenen Werten: Verantwortung und Zusammenhalt. Von Alexander Budde, NDR-Hörfunkstudio Stockholm
Im Herbst 2008 geriet die kleine Inselnation Island in ihre bislang schwerste wirtschaftliche und politische Krise. Vor allem die drei Großbanken Glithnir, Kaupthing und Landsbanki hatten über Jahre hinweg einen aggressiven Expansionskurs verfolgt. Anleger aus aller Welt wurden mit traumhaften Renditen gelockt. Doch der Zusammenbruch der US-Investment Bank Lehman Brothers und die panische Kapitalflucht in seinem Gefolge brachte dann das abrupte Ende dieses fragwürdigen Geschäftsmodells.
Fast alle der rund 300.000 Isländer erinnern sich an die Fernsehansprache ihres damaligen Ministerpräsidenten am 6. Oktober 2008: Begleitet von einem Stoßgebet, beschwört Geir Haarde die Gefahr des Staatsbankrotts. Er spricht aber auch eine unbegrenzte Garantie für private und kommerzielle Bankeinlagen seiner Landsleute aus.
Audiodatei: Auf eigenen Pfaden - Wie die Isländer den Staatsbankrott vermieden A. Budde, ARD Stockholm 25.03.2013 19:22 Uhr
Rettung der Pleitebanken abgelehntIn den folgenden turbulenten Wochen lässt sich die Regierung vom Parlament mit Notstandsgesetzen zur kompletten Übernahme des maroden Bankensystems bevollmächtigen. Eine Rettung ihrer verstaatlichten Pleitebanken durch die Steuerzahler wie von den ausländischen Gläubigern gefordert, lehnen die bedrängten Politiker ab. Sie wäre wohl auch eine Illusion geblieben, denn die Banken hatten Verbindlichkeiten angehäuft, deren Gesamtvolumen in etwa dem Zehnfachen der Wirtschaftsleistung des Landes entsprachen. Stattdessen werden ausländische Forderungen und Vermögenswerte in Zweckgesellschaften, so genannte "Bad Banks", ausgelagert. Die meisten Altgläubiger erhalten Anteile an den Nachfolgeinstituten. Diese werden vom Staat mit frischem Kapital ausgestattet, müssen sich aber fortan auf den heimischen Markt beschränken. In mehreren Referenden lehnen die Isländer die Haftung ihres Staates für Kundeneinlagen von Ausländern ab. Vor allem niederländische und britische Sparer hatten ihre Vermögen bei Icesave, einer Tochter der insolventen Landsbanki, angelegt.
Steuern rauf, Löhne runterGeir Haarde beschwor 2008 die Gefahr des Staatsbankrotts. Finanzfahnder mit Sondervollmachten ermitteln wegen krimineller Machenschaften wie Betrug und Kreditvergehen gegen verantwortliche Manager. Die Schuld am Desaster lasten die Isländer aber nicht nur den Bankern und der Bankenaufsicht, sondern vor allem auch ihren mit der Szene eng verbandelten Politikern an. Auf dem Höhepunkt der Revolte wurden Parlament und Regierungsgebäude belagert, die Zentralbank gestürmt. Die Liberal-Konservativen um Haarde wurden aus dem Amt getrieben.
Erstaunliche Fortschritte und viele TouristenEs ist der links-grünen Nachfolgeregierung vergönnt, erstaunliche Fortschritte bei der Genesung des einstigen Krisenlandes zu verkünden: Die Neuordnung des Bankensektors ist abgeschlossen. Die zur Stabilisierung der Landeswährung eingeführten Kapitalverkehrskontrollen werden gelockert. Ein Beistandskredit des Internationalen Währungsfonds und skandinavischer Nachbarländer konnte vorzeitig getilgt werden. Auf dem Kapitalmarkt werden wieder erfolgreich Staatsanleihen platziert. Der schwache Kurs der Krone lockt Touristen aus aller Welt ins Land der Geysire und Vulkane. Natürliche Ressourcen wie reiche Fischgründe und Wasserkraft im Überfluss verheißen den Isländern eine Zukunft im Wohlstand. "Wie gut, dass wir nicht den Euro haben", sagt Schriftsteller Hallgrimur Helgason. "Und wie gut, dass wir standhaft geblieben sind", fügt er hinzu. "Die Krise hat uns gut getan, weil die Menschen in einer falschen Realität lebten, weil sie in Luftschlössern wohnten. Dann ist alles zusammengebrochen. Und so kehren wir nun zu unseren Wurzeln zurück."
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