Eine Energiewende – zwei Systeme? Juni 2012

Dr. Josef Schlarmann, Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschafts-vereinigung der CDU/CSU, nimmt zur aktuellen Situation in der Energiewende wie folgt Stellung:

„Die ökologische Energiewende droht zu kippen. Zwar wachsen Solar- und Windkraft aufgrund ihrer Privilegierung rasant weiter, beim Ausbau der Netze hapert es aber gewaltig, so dass über die Verstaatlichung der Netze bereits öffentlich nachgedacht wird. Deutliche Differenzen gibt es auch bei den Ländern, die jedes für sich unabgestimmt Energieentwicklungspläne verfolgen: Der Norden investiert in Windstrom, der in den Süden verkauft werden soll; der Süden seinerseits setzt auf Solarstrom. Dieser ist aber nicht grundlastfähig, so dass nach Abschaltung der Atomkraftwerke konventionelle Kraftwerke gebaut werden müssen. Und dies geschieht nicht.


Neue Gas- und Kohlekraftwerke werden zur Zeit in Deutschland weder geplant noch gebaut, weil sie nicht mehr profitabel betrieben werden können. Grund ist der Einspeisevorrang für den Ökostrom, der die Betriebsstundenzahl konventioneller Anlagen deutlich sinken lässt. Selbst der Betrieb bestehender Anlagen rechnet sich nicht mehr, und der Bundesnetzagentur ist die Stilllegung zahlreicher solcher Anlagen bereits gemeldet worden: Für die Versorgungssicherheit eine gefährliche Entwicklung.

Der Kern des Problems ist die ordnungspolitische Unverträglichkeit zweier Systeme der Stromversorgung:

Seit der Liberalisierung des Energiemarktes in den neunziger Jahren wird der Strompreis nicht mehr einseitig durch die Erzeuger, sondern auf dem Strommarkt auch durch die Verbraucher entsprechend der Höhe ihrer Nachfrage bestimmt. Die Preisbildung auf dem Strommarkt folgt dabei - in aufsteigender Reihe - den je-weiligen Betriebskosten der Kraftwerke, die zur Deckung der Nachfrage herangezogen werden. Nutznießer dieses Preisbildungssystems ist der Verbraucher, weil nur die kostengünstigen Erzeuger zum Zug kommen.

Demgegenüber gelten für Ökostrom nicht die Regeln des Strommarktes, sondern das Subventionssystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Danach haben die Erzeuger von Ökostrom gegenüber den konven-tionellen Erzeugern einen Vorrang bei der Einspeisung ins Stromnetz. Außerdem erhalten sie für gelieferten Strom feste und sehr hohe Einspeisevergütungen über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Dies ist ein planwirtschaftliches Subventionssystem mit dem Ziel, die konventionellen Energien langfristig durch erneuerbare Energien zu ersetzen.

Die Verdrängung der konventionellen Energien ist also geplant und beeinflusst zwangsläufig die Produktions- und Investitionsplanungen der Erzeuger. Kraftwerke sind kapitalintensiv und langlebig. Ohne Planungs-sicherheit kann darin nicht investiert werden. Wenn gleichwohl im Interesse der Versorgungssicherheit nicht auf konventionelle Kraftwerke verzichtet werden kann - und daran gibt es keinen Zweifel -, gehören die Privilegien für den Ökostrom grundsätzlich auf den Prüfstand.

Die derzeitige Diskussion über die Einrichtung von sogenannten „Kapazitätsmärkten“ geht allerdings in die falsche Richtung. Gemeint sind damit finanzielle Prämien für konventionelle Stromerzeuger, damit sie ihre unrentablen Anlagen nicht abschalten, sondern in Reserve halten. Die Kosten dafür sollen über die Strom-rechnung auf den Verbraucher abgewälzt werden. In der Sache handelt es sich nicht um einen neuen Markt, sondern um den Versuch, die negativen Effekte des subventionierten Ökostroms mit weiteren Subventionen zu kurieren. Die Interventions- und Subventionsspirale dreht sich immer weiter.

Notwendig ist eine marktwirtschaftliche Lösung. Der Ökostrom muss für den bestehenden Strommarkt fit gemacht werden. Dies bedeutet, dass die Privilegierungen - so schnell wie möglich - nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz beseitigt werden müssen: Erstens durch Abschaffung des Einspeisevorrangs und zweitens durch Abschmelzung der Einspeisevergütungen.

Diese Punkte sind zentral für das Gelingen einer marktwirtschaftlichen Energiewende, ohne die es eine sichere Energieversorgung und bezahlbaren Strom nicht geben wird. Wer auf eine staatlich geplante und subventionierte Stromversorgung hinsteuert, belastet nicht nur den privaten Verbraucher ungebührlich, sondern sägt an dem Ast, auf dem der Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland sitzt.“

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